CO₂-Entnahme: Ohne schnellen Hochlauf Klimaneutralität bis 2045 kaum erreichbar
09.12.2025
Von LMU koordiniertes Forschungsprogramm CDRterra fordert rasches Handeln und klare politische Rahmenbedingungen für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.
09.12.2025
Von LMU koordiniertes Forschungsprogramm CDRterra fordert rasches Handeln und klare politische Rahmenbedingungen für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.
Bis 2045 soll Deutschland laut Bundes-Klimaschutzgesetz treibhausgasneutral werden. Dafür reicht es nicht, Emissionen massiv zu senken: Es muss auch ein bedeutender Anteil an CO₂ aus der Atmosphäre entfernt werden. Über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des interdisziplinären Großprojekts CDRterra haben in zehn Forschungsverbünden verschiedene CO₂-Entnahmemethoden (Carbon Dioxide Removal, CDR) untersucht – von biologischen bis zu (geo-)chemischen Verfahren. Das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderte Programm wird von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München koordiniert.
Die Forschenden entwerfen ein Szenario mit ambitionierten Transformationsmaßnahmen, in dem ab 2045 bis zu 80 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr durch verschiedene CDR-Verfahren gebunden werden – wenn bestehende und neue Ansätze kombiniert werden.
Heute entzieht Deutschland der Atmosphäre dagegen nur einen Bruchteil davon. Selbst bei höchst ambitionierter Minderung werden ab 2045 immer noch 60 bis 130 Millionen Tonnen Restemissionen im Jahr bleiben, so Schätzungen. „Ohne ehrgeizige Emissionsminderungen und CO₂-Entnahme verfehlen wir unsere Klimaziele. Für den Hochlauf von CDR braucht es klare Regeln, den Ausbau neuer Methoden, den Schutz natürlicher Senken – und den Dialog mit der Gesellschaft“, sagt Julia Pongratz, CDRterra-Sprecherin und Professorin an der LMU.
Bewährte Verfahren wie Aufforstung und Agroforstwirtschaft oder Methoden des „Carbon Farmings” wie der Zwischenfruchtanbau lassen sich kurzfristig umsetzen und beschleunigen die CO₂-Speicherung. Modellierungen zeigen, dass großflächige Aufforstungen den Klimawandel messbar bremsen können. Doch für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad muss die heutige weltweite CO₂-Entnahme bis 2050 mindestens verdoppelt werden. In Deutschland verschärft sich dadurch der Wettbewerb um Flächen erheblich. Hinzu kommen rechtliche und strukturelle Hürden: So ist die Umwandlung von Grünland in Wald vielerorts untersagt und Landwirtinnen und Landwirten fehlt oft das Know-how oder die langfristige Planungssicherheit.
Um das Portfolio zu erweitern, haben die Forschenden auch neue Verfahren entwickelt. Potenzial sehen sie etwa in der künstlichen Photosynthese, die CO₂ mithilfe von Solarenergie in Kohlenstoffflocken umwandelt – effizienter als natürliche Prozesse. Vielversprechend sind auch neuartige Baustoffe auf Basis von Gabbro, Pflanzenkohle und biobasierten Kohlenstofffasern, die CO₂ speichern. Diese Optionen brauchen jedoch noch Entwicklungszeit.
CO₂-Entnahme ist auch eine technische Herausforderung, bei der Infrastruktur für CO2-Transport und CO2-Speicherung gut geplant werden muss. „Darüber hinaus ist sie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Landwirtinnen und Landwirte, Industrie, Kommunen und Bürgerinnen und Bürger müssen von Anfang an beteiligt werden – nur so entstehen Akzeptanz und Vertrauen, die für die Umsetzung entscheidend sind“, betont LMU-Geograph Dr. Felix Havermann, wissenschaftlicher Koordinator bei CDRterra.
Das Fazit von CDRterra ist eindeutig: Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen Landnutzung und Landwirtschaft grundlegend reformiert, geeignete Infrastrukturen aufgebaut und die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden – im engen Dialog mit der Gesellschaft. So können auch vielfältige ökologische und gesellschaftliche Vorteile genutzt werden. Der Verbund appelliert: „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren – die nächsten Jahre sind entscheidend.“
Detaillierte Forschungsergebnisse aus den zehn Verbundprojekten finden sich im CDRterra-Synthese-Factsheet „Potenziale und Risiken der landbasierten CO₂-Entnahme in Deutschland – was wir jetzt wissen und was zu tun ist“.
Einen Überblick über zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen bietet die Zusammenfassung des Ergebnis-Factsheets für die interessierte Fachöffentlichkeit.
Beide Dokumente stehen zum Download bereit